Supraleitung

Die Entdeckung

  • 1908 gelang es Heike Kamerlingh Onnes, Helium als letztes der Edelgase zu verflüssigen. Dadurch waren Temperaturen von 1K-10K erreichbar. 1913 erhielt er den Nobelpreis für Physik.

  • Onnes untersuchte den elektrischen Widerstand der Metalle in Abhängigkeit von der Temperatur.

  • Das Wissen über den elektrischen Leitungsmechanismus und die Temperaturabhängigkeit des Widerstands war zu dieser Zeit noch sehr lückenhaft.

  • Es gab 3 Theorien zum Verhalten des Widerstands bei sehr tiefen Temperaturen:

    1. Widerstand geht mit sinkender Temperatur stetig gegen Null (Onnes, Dewar)
    2. Widerstand geht mit sinkender Temperatur gegen festen Grenzwert (Matthiessen)
    3. Widerstand geht durch ein Minimum und dann für sehr kleine Temperaturen gegen unendlich (Lord Kelvin)

  • Onnes versuchte mit hochreinem Quecksilber die 1. Theorie zu bestätigen.

  • Er fand jedoch keine stetige Abnahme des Widerstands, sondern innerhalb weniger hundertstel Grad um 4.2 K einen Sprung des Widerstands auf unmessbar klein.

  • Ein neuer Zustand war gefunden, der sog. supraleitende Zustand.





Grundtatsachen der Supraleitung

  • Der elektrische Widerstand wird bei Eintritt der Supraleitung um mindestens 14 Größenordnungen kleiner. Ein in einem supraleitenden Ring induzierter Strom fließt ewig, es entsteht keine Verlustwärme.

  • Auch andere Metalle können supraleitend werden, z.B. Zinn und Blei. Die Übergangstemperatur liegt dabei zwischen einigen hundertstel und 10K.

  • Es ist kein Zusammenhang erkennbar zwischen Übergangstemperatur und anderen charakteristischen Eigenschaften der Metalle.

  • Sowohl in kristalliner Struktur als auch in amorpher Struktur kann Supraleitung stattfinden.

  • Ferromagnetische Materialien (Eisen, Nickel...) können nicht supraleitend werden.

  • Supraleitende Legierungen (über 1000 bekannt) können aus Komponenten bestehen, die selbst nicht supraleitend sind.

  • W.A. Little: organische Stoffe mit sehr hohen Übergangstemperaturen, bisher aber nicht bestätigt.

  • Fazit: Supraleitung ist eine sehr allgemeine Eigenschaft der metallisch leitenden Stoffe.



Supraleiter 1. Art

  • Das Verschwinden des elektrischen Widerstands ist nicht der einzige Effekt von Supraleitern. Sie beeinflussen auch Magnetfelder.

  • Meissner-Ochsenfeld-Effekt

    • 1933 zeigen Meissner und Ochsenfeld, dass ein Supraleiter immer ein Magnetfeld aus seinem Inneren verdrängt.

    • Legt man einen Permanentmagneten auf eine Bleischale und kühlt dann ab, bis das Blei supraleitend wird, so beginnt der Magnet über der Schale zu schweben.

  • Supraleiter 1. Art verdrängen ein (äußeres) Magnetfeld aus ihrem Inneren bis auf eine dünne Oberflächenschicht. Dort fließen sog. Abschirmströme, die ein weiters Eindringen des Magnetfeldes verhindern. Sie errichten nach der Lenzschen Regel ein Magnetfeld, das dem angelegten Magnetfeld entgegenwirkt, es kompensiert.

  • Wird das äußere Magnetfeld zu groß, wird es für den Supraleiter zu energieaufwendig, Abschirmströme zu unterhalten. Jetzt bricht die Supraleitung zusammen.


Supraleiter 2. Art

  • Auch Supraleiter 2. Art zeigen den Meissner-Ochsenfeld-Effekt.

  • Sie verkraften aber viel höhere Magnetfelder als SL 1.Art und deshalb auch höhere Ströme.

  • Ab einem bestimmten kritischen Wert kann das Magnetfeld in den Supraleiter teilweise eindringen, ohne die Supraleitfähigkeit zu zerstören.

  • Erst bei einem noch höheren Wert bricht die Supraleitung zusammen.

  • Der Zustand zwischen diesen beiden kritischen Magnetfeldstärken wird Shubnikov-Phase genannt.

  • In der Shubnikov-Phase ist der Supraleiter von sog. magnetischen Flußschläuchen durchsetzt. Innerhalb der Flußschläuche ist das Material normalleitend.

  • Fließt ein Strom durch den Supraleiter, wirkt auf die Flußschläuche die Lorentz-Kraft, die Flußschläuche beginnen zu wandern. Dabei wird Energie verbraucht, es entsteht also ein elektrischer Widerstand (kein verlustfreier Ladungstransport).

  • Sind die Flußschläuche nicht frei verschiebbar, sitzen also an sog. Haftstellen (pinning centers) fest, spricht man von harten Supraleitern. Diese sind die technisch bedeutsamen Supraleiter.

  • In harten Supraleitern kann man Magnetfelder (bzw die Flußschläuche) einfrieren und so z.B. supraleitende Permanentmagnete schaffen.

  • Durch Verunreinigung bzw Zugabe von Fremdmetall kann aus jedem Supraleiter 1. Art ein Supraleiter 2. Art werden. Legierungen sind im allgemeinen Supraleiter 2. Art.






Hochtemperatur-Supraleiter

  • 1986 weisen Bednorz und Müller den Widerstandsabfall und den Meissner-Ochsenfeld-Effekt im La-Ba-Cu-O-System bei einer Übergangstemperatur von 30K nach.

  • 1986/87 wurden die Ergebnisse von einer japanischen Gruppe reproduziert, die Jagd nach neuen Oxiden begann.

  • La-Sr-Cu-O zeigt Übergangstemperaturen von über 40K.

  • Y-Ba-Cu-O zeigt Übergangstemperaturen von über 80K.

  • Nun kann Stickstoff statt Helium zur Kühlung benutzt werden. Das ist billiger und technisch einfacher handzuhaben.

  • Bi-Sr-Ca-Cu-O zeigt Übergangstemperaturen von über 110K.

  • Tl-Ba-Ca-Cu-O zeigt Übergangstemperaturen von über 120K.

  • Bisher sind max. Übergangstemperaturen von 150K erzielt worden, noch höhere erscheinen möglich.

  • Aber: Der Mechanismus der Hochtemperatursupraleitung scheint ein anderer zu sein als bei der Tieftemperatursupraleitung. Es kommt auch zur Paar-Bildung ähnlich der Cooper-Paarbildung, doch die Wechselwirkung, die zu dieser Paarbildung führt, ist völlig unklar.


Der supraleitende Zustand: BCS-Theorie

  • Effekte der Supraleitung deuten darauf hin, dass eine Wechselwirkung zwischen den Leitungselektronen eine Rolle spielt.

  • Verschiedene Wechselwirkungen wurden diskutiert (Coulomb, magnetisch, etc...), lieferten aber keine auch nur halbwegs befriedigende Theorie.

  • 1950/51: Fröhlich und Bardeen schlagen eine Wechselwirkung der Elektronen über die Schwingungen des Gitters des Festkörpers vor.

  • 1957: Bardeen, Cooper und Schrieffer arbeiten diese Idee zu einer atomistischen Theorie der Supraleitung aus, die sogenannte BCS-Theorie.
    1972 erhalten sie den Nobelpreis für Physik.

  • Atomrümpfe (ohne Leitungselektronen, die sind frei beweglich) sind in einem Festkörper wie in einem Gitter angeordnet und schwingen leicht um ihre Ruhelage.

  • Setzt man ein Elektron in dieses Gitter, so werden die positiven Atomrümpfe von ihm leicht angezogen. Es kommt zu einer Anhäufung von positiver Ladung in der Umgebung des Elektrons (Polarisierung des Gitters).

  • Ein zweites Elektron spürt die Anhäufung der positiven Ladung und wird dadurch zum ersten Elektron hin angezogen.

  • Es ensteht also eine anziehende Wechselwirkung zwischen zwei Elektronen über die Polarisation des Gitters.

  • Problem: Elektronen im Metall sind nicht statisch, sie bewegen sich
    mit hohen Geschwindigkeiten.

  • Bei der Bewegung durchs Gitter tritt also entlang des Weges Polarisation auf.

  • Das Gitter muss elastisch genug sein, um die polarisierende Wirkung eines sich bewegenden Elektrons mitmachen zu können. Die Atomrümpfe müssen leicht genung sein, damit sie rasch aus der Ruhelage schwingen können.

  • Schwere Isotope schwingen langsamer als leichte, die Wechselwirkung über die Schwingung des Gitters ist deshalb geringer, die Übergangstemperatur in den supraleitenden Zustand tiefer (Isotopeneffekt).

  • Das zweite Elektron fliegt nun in der Polarisationsspur des ersten.
    Da das Gitter bereits polarisiert ist, wird seine Energie abgesenkt.

  • Die beiden Elektronen haben gleichgroßen, aber entgegengesetzten Impuls und Spin (Eigendrehimpuls) (führt zu Absenkung der Gesamtenergie).

  • Man nennt solch ein Elektronenpaar Cooper-Paar. Ihre gegenseitige Anziehung lässt sich auch durch den Austausch sog. Phononen (Schallquanten) beschreiben.

  • Die mittlere Ausdehnung eines Cooper-Paares liegt bei 100nm bis 1000nm, der Abstand zweier Leitungselektronen jedoch nur bei einem Zehntel Nanometer. Cooper-Paare überlappen also extrem stark.

  • Ein Verständnis der Eigenschaften eines Supraleiters ist erst möglich, wenn man die Gesamtheit der Cooper-Paare betrachtet.

  • Die experimentellen Erfahrungen zeigen, dass alle Cooper-Paare im selben Quantenzustand sind, dh alle Paare stimmen in allen physikalischen Größen überein.

  • Wird eine Spannung angelegt, werden die Cooper-Paare beschleunigt, sie erhalten einen Impuls. Dieser Impuls muss für alle exakt gleich sein.

  • Ein einzelnes Cooper-Paar kann also nicht mit dem Gitter Impuls austauschen (z.B. durch Stöße), da es sonst nicht mehr im gleichen Zustand wie die anderen wäre.

  • Nur wenn die Bindungsenergie eines Cooperpaares aufgewendet wird, wird das Paar zerstört und eine Wechselwirkung mit dem Gitter kann wieder stattfinden.

  • Dies erklärt den widerstandslosen Ladungstransport durch das Gitter, also die Tatsache, dass der elektrische Widerstand im Supraleiter verschwindet.

  • Ab einem kritischen Strom ist allerdings die kinetische Energie der Cooper-Paare so groß wie ihre Bindungsenergie, sie werden aufgebrochen, die Supraleitung bricht zusammen.



Fermionen und Bosonen

  • Teilchen mit halbzahligem Spin (zb. 1/2) sind Fermionen.

  • Teilchen mit ganzzahligem Spin (zb. 1) sind Bosonen.

  • Fermionen können jeden Quantenzustand nur einmal besetzen (Pauli-Verbot), in einem "Haufen" aus Bosonen können dagegen alle Bosonen in demselben Quantenzustand sein.

  • Elektronen sind Fermionen !!

  • Cooper-Paare bestehen zwar aus Elektronen, verhalten sich aber wie Bosonen.
    Man kann Cooper-Paare also als neue, eigenständige Teilchen auffassen, solange sie nicht aufgebrochen werden.

  • Die Gesamtheit aller Cooper-Paare in einem Supraleiter läßt sich durch eine einzige Wellenfunktion beschreiben (vgl. Bose-Einstein-Kondensat) !


Anwendungsgebiete für Supraleiter

  • Supraleitende Magnete

    Aus harten Supraleitern hergestellte Spulen können großflächige Magnetfelder größer 10 Tesla erzeugen. Angewendet werden sie bei Kernspintomographen, Teilchenbeschleunigern, Fusionsreaktoren etc.

  • Supraleitende Stromkabel

    Es existieren bereits supraleitende Stromkabel, in deren Innerem Helium und Stickstoff zur Kühlung fließen. Die Keramiken der HTSL sind allerdings recht spröde und schwer zu verarbeiten.

  • Magnetfeldsensoren

    Superconducting Quantum Interference Devices SQUIDs können selbst winzigste Magnetfelder von 10 -15 T (Femto-Tesla) nachweisen.
    Anwendungsgebiete sind z.B. Biomagnetismus (Nervensignale, Herzsignale...), zerstörungsfreie Werkstoffprüfung, Geophysik.